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Essen: Gymnasium Essen Nord-Ost

 

Eine Schule fürs Leben: Ganztag am Gymnasium Essen Nord-Ost

Manchmal passiert es, dass Schülerinnen und Schüler am Gymnasium Essen Nord-Ost vor den Ferien sagen: „Jetzt weiß ich gar nicht, was ich machen soll!“ Kein Wunder, denn die Ganztagsbetreuung bietet ihnen von Singen bis Spanisch jede Menge spannende Angebote – und das schon seit 20 Jahren.

Die Pusteblumen auf der Wiese vor dem Gymnasium Essen Nord-Ost, kurz GENO genannt, haben sich kein ruhiges Plätzchen ausgesucht. Jeden Moment kann ein Ball geflogen kommen oder eine Gruppe Kinder übersieht sie beim Nachlaufen-Spielen. Es ist Mittagspause – und das bedeutet: Ganz schön ‘was los auf dem Pausenhof. Obwohl die Schule mitten im Essener Stadtgebiet liegt, fühlen sich Besucher unerwartet von Natur umgeben. Die Schülerinnen und Schüler toben durch die frische Luft und über das saftige Grün. Wer noch nichts gegessen hat, sitzt entweder in der Mensa mit seinen Klassenkameraden zusammen oder steht ungeduldig im Pavillon in der hinteren Hofecke Schlange. Denn dort im Schüler-Café „Kult“ gibt’s leckere, selbst zubereitete Toasts mit Gurke und Käse und laktosefreie Beeren- oder Bananenmilchshakes. „Die kosten 70 Cent“, sagt die dreizehnjährige Sandy. Gemeinsam mit ihrer Freundin Elena arbeitet sie seit ein paar Monaten in der AG Schüler-Café mit. Vor der Pause stellt sie die Tische und Stühle im Pavillon zu Sitzecken zusammen. Dann werden die Shakes gemixt und verkauft, während andere Klassenkameraden das Toastgerät heiß laufen lassen. „Von dem, was wir verdienen, können wieder neue Zutaten gekauft werden“, erzählt Sandy fröhlich, während eine Reihe ihrer Schulkameraden bereits satt und voller Tatendrang in den Nebenraum an die Kickertische verschwunden sind.

Insektenhotel, Theaterpiraten und Spanischunterricht

Jeden Dienstagnachmittag bietet das GENO seinen Schülerinnen und Schülern eine breite Palette an Arbeitsgemeinschaften zur Auswahl an: Da baut Biologie- und Chemielehrer Thomas Grünig mit der Schulgarten-AG ein Insektenhotel, während die Mittelstufenband oder die Theaterpiraten kleine Aufführungen oder Konzerte vorbereiten. Eine andere AG trommelt derweil afrikanische Rhythmen. Zu diesen freiwilligen Arbeitsgruppen hinzu kommt außerdem eine unterrichtsnahe „Profil-AG“ für die Jahrgangsstufe 5. Dazu gehören etwa das Schwimmen für Nichtschwimmer oder der Spanischunterricht für Anfänger. Insgesamt gestaltet sich der Unterricht als eine Mischform zwischen Einzel- sowie Doppelstunden und Pausen. Dabei war es dem GENO wichtig, den Tagesrhythmus möglichst so zu gestalten, dass für die Schülerinnen und Schüler ein guter Wechsel aus Arbeits- und Bewegungsphasen entsteht. Auch am Nachmittag wird unterrichtet, in Lern- oder Silentium-Zeiten werden Schulaufgaben erledigt, Vokabeln geübt oder Bücher gelesen. Insbesondere in den Kernfächern haben die Schülerinnen und Schüler dabei die Möglichkeit, in ihren jeweiligen Stärken und Schwächen beim Fachlehrer gefördert zu werden. So bleibt nach Schulschluss um 16 Uhr Zeit für Familie und Freunde.

Vorreiter für andere Ganztags-Schulen

Für viele Schulen, die in den letzten Jahren begonnen haben, ein Ganztagsangebot aufzubauen, hat das GENO eine Vorreiterrolle. Viele Angebote konnten mithilfe von Sponsoren umgesetzt werden, wie die Restaurierung des baufälligen Hofpavillons. „Als wir 1991 mit der Ganztagsbetreuung begannen, war das etwas Neues. Wir hatten zwar bei einer Umfrage unter berufstätigen Eltern einen hohen Bedarf ermittelt. Dennoch mussten die 75 Lehrer und zahlreiche andere Eltern mühsam von den Vorteilen überzeugt werden. Auch ich war skeptisch“, sagt Koordinator Wilfried Nieswandt. Kaum zu glauben, angesichts des Feuereifers, mit dem der Mann Anfang 60 jetzt mit leuchtenden Augen bei der Sache ist. Der Erfolg der letzten 20 Jahre hat ihn überzeugt. Und dieser beruht nicht nur auf der Tatsache, dass die Schülerzahl stetig auf derzeit rund 900 stieg, nachdem sie vor der Einführung des Ganztags deutlich gefallen war. Für Schulleiter Udo Brennholt und das Team Ganztag rund um Wilfried Nieswandt ist die Ganztagsbetreuung darüber hinaus der richtige Weg, die Schule nicht nur als Ort des Lernens, sondern auch des sozialen Miteinanders zu gestalten.

Verständnis füreinander und das verschieden sein

Das ist an einer Schule wie dieser, in der die meisten Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund haben, besonders wichtig. Die Arbeit am gegenseitigen Verständnis beginnt damit, dass die frischgebackenen Fünftklässler ihre neue Umgebung und die Mitschülerinnen und -schüler ausführlich kennenlernen, unter anderem auf einer Klassenfahrt mit Teambuilding-Spielen. „Die Schülervertreter empfangen die Neuen mit kleinen Geschenken und ältere Schüler sind ihre Mentoren“, erzählt Latein-, Religions- und Pädagogiklehrerin Aldana Kopiec. „Sollten sich in den ersten drei Monaten Schwierigkeiten herausstellen, gibt es spezielle Förderkurse.“ Probleme, die sich durch Leistungsdruck oder familiäre Schwierigkeiten ergeben, können mithilfe von Schulsozialarbeiter Arnd Michel geklärt werden. Er hat alle Hände voll zu tun und berät auch Lehrkräfte – ebenso wie eine Psychologin, die einmal im Monat zur Sprechstunde in die Schülerbibliothek kommt.

Die Erprobungsstufenschüler nutzen die freiwilligen Angebote: Die Zehnjährigen bauen in ihrer Profil-AG „Kunst“ gerade einen Schwertfisch aus Holz, Draht und bemaltem Papier. Der bietet wiederum auch im Biologieunterricht einen guten Gesprächsanlass, so dass die Profil-AGs und der Unterricht nicht nur vernetzt werden, sondern sich auch gegenseitig Impulse geben.

Natascha Plankermann